Teilgeber

Stefan Diepolder

Stefan Diepolder

Content Kurator und Digital Learning Experte

Impuls – Wertschöpfender Umgang mit digitalen Inhalten – die Mechanismen von Content Curation

Impuls – Wertschöpfender Umgang mit digitalen Inhalten – die Mechanismen von Content Curation

In diesem kollaborativen Buchprojekt geht es um das Zusammenspiel von NewWork und NewLearning. Die Frage, die ich in diesem Artikel aufgreifen möchte, ist, was Content Curation dazu beitragen kann, Arbeiten und Lernen neu zu denken und so aufzustellen, dass neues Arbeiten im Sinne von Frithjof Bergmann möglich wird. Es geht darum, selbstbestimmt einer Arbeit nachzugehen, die man wirklich machen will, die den Menschen dient – und nicht umgekehrt.

Dieser Artikel soll anhand von eingängigen Geschichten und Beispielen die Mechanismen von Content Curation beschreiben und Ideen und Impulse für die tägliche Wissensarbeit bereitstellen. Und er soll dazu inspirieren, selbstbestimmt die Segnungen der Digitalisierung für die persönliche (Weiter-)Entwicklung und Entscheidungsfindung zu entdecken und aktiv zu nützen. Dazu gebe ich Links und Quellen an, die zum tieferen Eintauchen in das Thema einladen.

 

1.   Was ist Content Curation?

Content Curation ist ein Terminus aus dem Englischen, den man mit „kuratieren von digitalen Inhalten“ übersetzen könnte. Es geht dabei um digitale Texte, Audios, Videos, Listen, Fotos und Präsentationen, die mit Internettechnologien entweder im unternehmensinternen Intranet oder über das Internet publiziert und verteilt werden.

Das Wort „kuratieren“ stammt aus dem Lateinischen „curare“ und bedeutet u.a. „sich kümmern“, „sorgen“, „umsorgt werden“, „sich die Mühe nehmen“, „pflegen“, „verschaffen“ oder „Lust haben“  (https://de.langenscheidt.com/latein-deutsch/curare, abgerufen am 15.04.2020).

Schon aus dem Wortstamm ist herauszulesen, dass mit kuratieren Aufwand, Einsatz, Mühe und Empathie assoziiert wird. Gute Kuratierung bietet genau dies: (digitale) Formate, die leicht und anregend aussehen, liebevoll zusammengetragen und präsentiert sind und die es den Rezipienten leicht machen zu entscheiden, ob die Inhalte für sie selbst wertvoll und relevant sind.

Kuratieren wird in den meisten Fällen (noch) nicht mit digitalen Inhalten in Verbindung gebracht. Kuratoren sind eher bekannt aus dem Bereich der Kunst: Museumskuratoren, die aus der Auswahl, Präsentation und Anordnung von Kunstwerken ein eigenes Kunstwerk schaffen und für das Erleben der Besucher Verantwortung tragen. Oder DJs im Bereich der Musik, die mit dem Zusammenspiel von Musikstücken anderer Künstler ein eigenes, neues Kunstwerk kreieren, das oft auch nur einmalig bei einem Event genauso zu hören ist.

“My first job was as a DJ, and it consisted of lots of curation. I would go to record stores and be handed a pile of singles. I would listen through them all, and purchase the best ones. Once at home I would listen to them again, and catalogue them in different themes. While performing I had to stay in tune with my audience. Sometimes they wanted to slow down and at other times they wanted to hype up.”

Robin Good, 2013, http://tribaling.com/blog/2013/07/04/meet-robin-good-a-tribal-curator-and-former-dj/,  abgerufen am 03.06.2020

Genau genommen sind wir bereits alle Kuratoren, bewusst oder unbewusst. Wir können uns die Wirkmechanismen von Kuratierung vor Augen führen und sie gewinnbringend für uns und andere einsetzen – oder sie schlicht und einfach ignorieren und versuchen, unseren Kopf intuitiv im Meer des Überflusses über Wasser zu halten.

Von allen Seiten werden wir mit Informationen, Aufgaben und immer neuen Herausforderungen bombardiert. Wir helfen unseren Freund*innen, Bekannten, Verwandten und Arbeitskolleg*innen, indem wir unsere Erfahrungen und Expertisen teilen und Medien und Informationen, die uns weitergeholfen haben, empfehlen. Wir sparen unseren Freund*innen, Bekannten und Follower*innen wertvolle Zeit und Geld, indem wir Dinge, mit denen wir uns auskennen, aktiv teilen.

 

Technischer Fortschritt führt zu Überfluss

Am Beispiel Musik können wir sehr gut nachvollziehen, wie der technische Fortschritt dazu führt, dass über digitale Technik auf der einen Seite das Problem des Zugangs gelöst, dadurch aber ein neues, das des Umgangs mit Überfluss, geschaffen wird.

Mit Beginn der technischen Revolution und der Digitalisierung wurde nicht nur das Nutzerverhalten der Hörer, sondern auch das komplette Geschäftsmodell der Musikindustrie disruptiert und auf den Kopf gestellt. (https://www.planet-wissen.de/kultur/musik/geschichte_der_tontraeger/pwiedieschallplatte100.html, abgerufen am 24.05.2020).

Heute müssen wir z.B. nicht mehr nach Brasilien fliegen, wenn wir unsere Lieblings Samba CD finden und kaufen wollen, wie noch vor 25 Jahren. Wir haben heute alle Musik der Welt jederzeit über unsere mobilen Endgeräte in unserer Hosentasche zur Verfügung – aggregiert und vorgefiltert von wenigen, sehr mächtigen Portalen wie YouTube, Spotify oder iTunes. Unser größtes Problem heute ist, dass wir „den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen“, weil wir mit der Fülle der Möglichkeiten schlicht überfordert sind. Wir sehnen uns nach Orientierung, nach Struktur, nach Lösungen, die uns inspirieren und helfen, die richtige Auswahl zu treffen.

Um dem Überfluss zu begegnen, versuchen die genannten Portale, uns die Auswahl mit von Algorithmen errechneten Empfehlungen, vorkonfigurierten Angeboten und der Vernetzung mit Gleichgesinnten und Freunden zu erleichtern. Ziel ist es, den User und ein möglichst gutes Nutzererlebnis zu ermöglichen, um sie bei Laune und auf den Portalen zu halten.

Dieses Phänomen ist auf viele andere Bereiche übertragbar, bei denen digitale Audio-, Video- und Textformate wesentliche Informations- und Inhaltsträger sind. Oder hätten wir uns noch vor einigen Jahren vorstellen können, dass fernsehen heutzutage zu einem individuellen, zeit- und ortsunabhängigen Konsumerlebnis geworden ist, bei dem Familienmitglieder auf unterschiedlichen Endgeräten parallel ihr eigenes, selbst zusammengestelltes Programm on-demand ansehen können?

Zugangshürden fallen weg und wir haben mittlerweile problemlos Zugang zu Millionen von exklusiven jederzeit streambaren Medienformaten. Anbieter wie Netflix, Amazon, Apple und Youtube entlohnen wir mit bezahlten Abonnements und unseren Nutzerdaten gegen das Einspielen von Werbung. Diese Portale bieten uns zu jeder Zeit, an jedem Ort und auf nahezu allen internetfähigen Endgeräten Zugriff auf ihre kuratierten Medien.

 

Informationsüberfluss oder Filterproblem?

Wie kann man diesem massiven Angebot an digitalen Formaten und Informationen begegnen, etwas Positives abgewinnen? Robin Good, einer der versiertesten digitalen Kuratoren und Content Curation Vordenker, stellt heraus, wie wichtig es heutzutage für uns als Personen und für wirtschaftlichen Erfolg ist, mit Informationen adäquat umgehen zu können:

„Living in the information age actually means that our economy, and your ability to succeed and thrive in your lifetime are increasingly connected to your ability to manage and efficiently deal with information.”

Robin Good, 2016, https://medium.com/content-curation-official-guide/why-to-curate-information-73ecb47b98a5, abgerufen am 25.05.2020

Wir sollten einen Blick darauf werfen, welche immense Menge an Transaktionen heute im Internet geschehen und wie viele Daten dabei generiert werden. Folgendes Schaubild von @LoriLewis und @OfficiallyChadd visualisiert die globalen Online Aktivitäten von Milliarden Menschen, die in nur einer Minute passieren – mit den Zahlen von 2019, die mittlerweile noch höher sein sollten:

https://www.visualcapitalist.com/what-happens-in-an-internet-minute-in-2019/, abgerufen am 25.05.2020

Professor Clay Shirky, ein renommierter Internet Analytiker und stellvertretender Hochschulleiter der New York University (vgl. https://www.nyu.edu/about/leadership-university-administration/office-of-the-president/office-of-the-provost/academic-affairs/clay-shirky.html), hat schon 2008 mit seinem berühmten Zitat darauf hingewiesen, dass nicht die Menge der verfügbaren Informationen das Problem sei, sondern unsere Unfähigkeit, diese adäquat und wertschöpfend zu filtern.

„It`s Not Information Overload. It`s Filter Failure”

https://youtu.be/LabqeJEOQyI, abgerufen am 25.05.2020

Die Herausforderungen, die Informationsflut zu bewältigen, sind seitdem nicht kleiner geworden, wie folgende Grafik eindrucksvoll visualisiert. Wissen verdoppelt sich im Moment ca. alle 13 Monate und die Kurve steigt exponentiell. Die dabei entstehenden Kosten gehen gegen 0.

Abb.: Exponentielles Wachstum von Daten und digitalen Informationen

Knowledge Doubling Curve by Buckminster Fuller – Sketchnote by Katrin Mäntele – @kleinerW4hnsinn – Lizenz: CC BY

 

Mit der wachsenden Menge an sofort verfügbarem, wertvollem und relevantem Wissen stellt uns das Internet einen riesigen Schatz zur Verfügung, den wir nur noch heben müssen. Dies ist eine der wichtigsten Herausforderung, vor der wir stehen. Das haben auch die Internetgiganten erkannt und versuchen, uns mit ihren intelligenten Systemen und aggregierten Portalen die Auswahl und Kuratierung zu erleichtern.

Bergmann und Whittaker haben in ihrem Buch” The Science of Managing our Digital Stuff” auf eine weitere, oft unterschätzte Dimension von Content Curation hingewiesen – das Kuratieren für sich selbst mit der Intention, Informationen wieder auffindbar und nutzbar zu machen.

“Curating therefore can be seen as a special kind of communication: a solipsistic interaction between a person and him- or herself at two different times: the time of storage and the time of retrieval.”                                                                                                                        

Informationen finden und kuratieren wird, auch mit Blick die weiter explodierende Anzahl an mehr oder weniger gutem Content, in Zukunft noch wichtiger werden. Die Herausforderung besteht darin, Daten effektiv mit Metainformationen zu versehen und sie in einen Kontext zu stellen, damit sie nicht nur wieder auffindbar sind, sondern auch Nutzen stiften können – für uns und andere.

 

Definition Content Curation

Kuratierung ist kein ganz neues Phänomen – schon im alten Rom haben Kurator*innen in Galerien und Museen passende Inhalte und Stücke ausgesucht und zu einer Kollektion zusammengestellt und angeordnet (vgl. Li, Xiong, Tapia, New frontiers in cognitive content curation and moderation, 2018 S. 3).

Content Curation, die Kuratierung digitaler Inhalte und Artefakte, wird zu einer immer wichtigeren Kompetenz in der digitalen Welt, die die Fähigkeiten beschreibt, um aus dem Überfluss an Informationen und Wissensbausteinen relevanten und faktisch richtigen Content zu filtern und für sich nutzen zu können. 

Teilkompetenzen des Kuratierens wie Share, Compose, Remix, Evaluate, Synthesize, Search, Connect und Contribute gehören laut Mozilla Foundation zu den „21st Century Skills“, zur „Web Literacy“ (vgl. https://learning.mozilla.org/en-US/web-literacy, abgerufen am 02.06.2020).

 

Abbildung: https://learning.mozilla.org/en-US/web-literacy, (CC BY), abgerufen am 02.06.2020

 

Definition Content Curation:

Content Curation ist die Kunst, digitale Informationsbausteine und Artefakte zu einem bestimmten Thema für ein spezielles Publikumsinteresse zu finden, sie zu filtern und zu organisieren und sie in einen Kontext zu setzen, Wert hinzuzufügen und öffentlich zugänglich zu machen. 

angelehnt an: Robin Good, What is Content Curation?: https://medium.com/content-curation-official-guide/what-is-content-curation-84212256e84, abgerufen am 20.05.2020 

 

Die Kuratierung digitaler Inhalte ist viel mehr als die Erstellung von Linklisten oder die Bereitstellung von Inhalten in Lernpfaden. Gute Kurator*innen sind eine Art “Content Trüffelschweine”, die die wirklich wertvollen und relevanten Wissensnuggets mit viel Einsatz und Herzblut aufspüren. Mit ihrer fachlichen Expertise beurteilen sie die Relevanz und Inhaltsqualität und für ihre Zielgruppen, von denen sie genau wissen, wie sie ticken und welche Bedarfe sie haben. Sie versehen die Inhalte mit Kontext und publizieren und teilen sie großzügig. Kuratoren sind die neuen Impulsgeber und vertrauenswürdigen Gatekeeper, die es uns ermöglichen, schnell und gezielt an gute, relevante Informationen und Wissen heranzukommen, ohne von der Informationsflut erschlagen zu werden.

 

Netzwerke und Trusted Guides als Schlüssel

Wem bzw. welchen Quellen sollen wir vertrauen? Wie kommen wir in den immer dichter werdenden Informationsdschungel mit überschaubarem Aufwand an relevante Informationen, die uns wirklich weiterhelfen? Wer kann uns wirklich weiterhelfen?

“It is in such situations of information super-abundance that people start to look for and appreciate the contribution from a trusted, expert guide who can provide them with “intellectual binoculars”.

Someone who is not just a subject-matter expert, but who has also a passion for analyzing, investigating, asking questions and verifying things before drawing conclusions or sharing advice.”

Robin Good, 2016, https://medium.com/content-curation-official-guide/10-the-rise-of-trusted-guides-14a792f08ee7, abgerufen am 02.06.2020

Menschliche Filter sind kompetente, vertrauenswürdige Personen, über die wir schnelle und kompetente Hilfe bekommen, die uns unterstützen, relevante Informationen zu beschaffen und zu verifizieren. Einfach so, ohne etwas als Gegenleistung zu fordern – aus purem Interesse und mit Expertise. Je größer die Aufgabe bzw. das Problem ist, desto eher verlassen wir uns auf Menschen, denen wir vertrauen, und nicht auf das, was uns Suchmaschinen und Portale im Internet vorschlagen.

Eine Empfehlung von jemandem, der/die uns gut kennt, zu dem/der wir Vertrauen haben und sich in uns hineinversetzen kann, hat einen viel höheren Wert als eine maschinelle, auf Datenanalyse basierende. Indem Menschen nachdenken, Dinge verbinden, die vorher noch nie jemand verbunden hat, können völlig neue, überraschende und unerwartete Impulse entstehen und innovative Lösungen entstehen, die wir niemals aktiv suchen könnten. Sie werden automatisch an uns herangetragen, durch Trusted Guides, mit denen wir uns treffen und sprechen und mit denen z.B. über Twitter oder Linkedin verbunden sind.

 

Praxisbeispiel:

Gerade die umstrittene Social Media Plattform Twitter ist ein sehr guter Ausgangspunkt, um Content mit Köpfen zu verbinden, wunderbare Experten kennen zu lernen, ihnen zu folgen und sich so ein Bild von ihnen und ihrer Arbeit zu machen. Über die erweiterte Suche ist es sehr einfach möglich, mit Schlagwörtern (#Hashtags) und anderen Suchparametern Menschen zu finden, die zu dem jeweiligen Thema etwas zu sagen haben.

 

2.   Wie funktioniert Content Curation?

 

Das Seek – Sense – Share Framework

Harold Jarche hat in seiner Arbeit zu Personal Knowledge Mastery einen genial einfachen und wirkungsvollen Prozess erarbeitet, mit dem ein effektiver und wertschöpfender Umgang mit (digitalen) Informationen organisierbar wird: Das Seek-Sense-Share Framework, das in folgende 3 Bereiche unterteilt.

Harold Jarche, 2014: https://jarche.com/2014/02/the-seek-sense-share-framework/, abgerufen am 20.05.2020)

Seek – Sense – Share: Visualisierung von Katrin Mäntele @kleinerw4hnsinn (CC BY)

  1. Suchen bzw. Finden(Seek)
    Es geht darum, interessante und relevante Informationen zu finden und auf dem Laufenden zu bleiben. Unter all dem „Lärm“ die wirklich hilfreichen, lesens- und lernenswerten Beiträge vom „Geplapper“ zu unterscheiden. Und sich über die Zeit ein Netzwerk von vertrauenswürdigen Quellen und Experten aufzubauen. So dass man nicht nur Informationen sucht, sondern sie auch automatisch über unser Netzwerk ihren Weg zu uns finden. Gute Kuratoren sind immer auch verlässliche Mitglieder in Wissensnetzwerken.  
     
  2. Filtern, Organisieren und Anreichern(Sense)
    Filtern heißt die Spreu vom Weizen trennen, wissen, welchen Quellen und Menschen man vertrauen kann und wie man Wissensbereiche voneinander abgrenzt, um den roten Faden nicht zu verlieren. Im nächsten Schritt muss man für sich eine übersichtliche und zeitsparende Art finden, die Informationen zu speichern, sortieren und schnell auffindbar zu machen.  
     
    Dann kann man im wichtigsten Schritt, dem Anreichern von Wert und Nutzen für die Zielgruppe, sinnvoll mit den Inhalten arbeiten und z.B. Zusammenfassungen schreiben, Querverweise herstellen, vergleichen, kritische Fragen stellen usw. Selbst zu kuratieren und aus verschiedenen Bausteinen und Artefakten einen Artikel oder Blogpost zu erstellen, ist eine sehr effektive und wirkungsvolle Methode, selbst zu lernen und Wissen aufzubauen. 
     
  3. Teilen & Austauschen(Share)
    Hier geht es darum, für sich ein Gespür und eine Praxis zu entwickeln, wie man seine angereicherten Inhalte wann und mit wem teilt, wie man Ideen und Erfahrungen in seinen Netzwerken weitergibt, Feedback einholt, Inspirationen bekommt oder in die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen in der Arbeit geht. 

Content Curation Tools

Das Kuratieren von digitalen Inhalten ist grundsätzlich unabhängig von Tools. Es gibt einige, spezielle Werkzeuge wie z.B. Flipboard, Wakelet oder Scoop-it, die in erster Linie für Content Curation entwickelt wurden. Für Kurator*innen, die besonders visuelle Inhalte sammeln und ordnen wollen und die eine Liebe für die dazugehörigen Social Media Kanälen entwickelt haben, sind beispielsweise Plattformen wie Pinterest oder Instagram die beste Wahl, um gute Inhalte zu finden (seeking) und zu teilen (sharing). Die beste und kompletteste Liste an Content Curation Tools hat Robin Good in ZEEF kuratiert und zur Verfügung gestellt.

Für wichtig erachte ich, dass sich Kurator*innen gerade bei den Werkzeugen, mit denen sie gute, relevante Inhalte erfassen und ablegen (seeking), remixen und Nutzen hinzufügen (sensemaking), sich für etablierte, für sie gut bedienbare Werkzeuge entscheiden und diese nicht ständig wechseln. Das sorgt für stabile Prozesse und Struktur. Cloudbasierte Notiz Apps wie z.B. Microsoft Onenote und Evernote haben sich dafür bewährt und können von überall und auch unterschiedlichen Endgeräten genutzt werden. Besonders wertvoll macht sie, dass Inhalte aus dem Internet direkt mit einem Webclipper gespeichert und problemlos weiterverarbeitet werden können. Den Nutzen von Onenote und eine kurze Einführung zu persönlichem Wissensmanagement habe ich in diesem Blogpost beschrieben.

 

Praxisbeispiel:

In der folgenden Abbildung zeige ich meine persönlichen Lieblingstools und wie ich sie für den Seek (Feedly, Refind, Twitter) – Sense (WordPress, Onenote) – Share (Twitter, Linkedin) Prozess verwende.

Abb.: Meine Kurations-Tools für das Seek – Sense – Share Framework

Seit einiger Zeit sind die großen Softwaregiganten dabei, mit integrierten, cloudbasierten Systemen wie Microsoft 365 und der Google G-Suite App-Ökosysteme aufzubauen, mit denen arbeiten und lernen nahtlos ineinandergreifen (siehe Artikel von Josh Bersin zu Microsoft Teams). Das neuartige an diesen Systemen ist, dass die unterschiedlichen Werkzeuge aufeinander abgestimmt und integriert sind, sich sehr gut gegenseitig ergänzen. Indem Mitarbeiter*innen ihre Arbeit, ihre Ideen und ihr Lernen nicht mehr nur für sich behalten und auf einer Festplatte abspeichern, sondern in eine unternehmensinterne Cloud stellen und mit ihren Kolleg*innen teilen können, arbeiten sie „laut“, werden sichtbar, gewinnen Reputation und bieten Ansatzpunkte, um gemeinsam Communities zu bilden, effektiv voneinander zu lernen und innovative neue Lösungen zu finden.

„And we may not be the arbiters of that new knowledge, but rather we build resilience and capability within those sense making communities, to enable them to do the job. To sift the wheat from the chaff. To understand validity and application. To build local, and generalised, knowledge at scale.“

Julian Stodd, 2020, https://julianstodd.wordpress.com/2020/04/27/workingoutloud-on-curiosity-and-creativity/, abgerufen am 02.06.2020

 

Organisationen brauchen Wissenskatalysator*innen

In einer Welt des (digitalen) Überflusses ist es einleuchtend, dass wir versuchen, das Beste für uns, unsere Familien und unser Unternehmen aus den vorhandenen Möglichkeiten herauszuholen. Dabei nehmen wir in unseren Netzwerken unterschiedliche Rollen ein, die Harold Jarche sehr griffig charakterisiert (vgl. Harold Jarchehttps://jarche.com/https://jarche.com/2017/05/the-world-needs-knowledge-catalysts/, abgerufen am 05.06.2020)

Visualisierung von Katrin Mäntele @kleinerw4hnsinn (CC BY) 

 

Konsumenten*innen 
nutzen ihre Netzwerke, um an Informationen zu kommen. Sie lesen Beiträge, um ihr Wissen zu erweitern, ohne diese zwangsläufig zu sammeln, anzureichern und zu teilen.  
Natürlich sind wir alle auch immer Konsument*innen in unseren Netzwerken, besonders wenn wir uns mit einem neuen Thema beschäftigen oder bei Themen, die uns (im Moment) nur am Rande interessieren.  

Expert*innen 
durchdringen und verstehen ihre Themengebiete im Detail. Sie sind aber nicht zwangsläufig gut darin, ihr Wissen zusammenzufassen und weiterzugeben. Im Kuratieren ist ein*e Expert*in oft einfach jemand, der mehr über ein Thema weiß, als man selbst. 
Um sich als Expert*in zur Kurator*in weiterzuentwickeln kann man üben, über sein Themenfeld in einfach(er)en Worten zu reden, zu schreiben, es zusammenzufassen und mehr mit anderen zu teilen.  

Verbinder*innen 
sind gute Netzwerker*innen, kennen viele Leute, kommen leicht mit allen ins Gespräch und bringen Menschen zusammen. Im Kuratieren tragen sie dazu bei, neue Verbindungen zu sehen und aufzubauen und machen auf interessante Themen, Ansätze und Meinungen aufmerksam. 
Um sich als Verbinder*in zum*r Kurator*in weiterzuentwickeln, kann man seine Fähigkeiten, Wissen anzureichern und mit einem Mehrwert zu teilen, ausbauen und üben. Darüber hinaus ist es auch wichtig, sich zu überlegen, wann, wo und mit wem man seine Inhalte teilt.   

Katalysator*innen 
sind gut darin, Wissen anzureichern, Wissensverbindungen sichtbar zu machen und Wissen weiterzugeben, aber auch darin, Menschen, Ideen und Organisationen zu verbinden. Katalysieren in diesem Sinne ist die hohe Kunst im Wissensmanagement und in der Content Curation. Nur wenige Menschen sind gute Katalysator*innen, eine Grundvoraussetzung ist jedenfalls, dass sie gute Kurator*innen sind.  

Jede*r von uns wird sich sehr wahrscheinlich in der einen oder anderen der beschriebenen vier Rollen wiederfinden können.

Unbestritten ist, dass in komplexen Umgebungen und unsicheren Zeiten besonders Katalysator*innen gebraucht werden, um den steigenden Herausforderungen kompetent begegnen zu können (vgl. https://jarche.com/2017/05/the-world-needs-knowledge-catalysts/, abgerufen am 05.06.2020)

 

Content Curation als Voraussetzung, um gute Entscheidungen treffen zu können – in Alltag und Arbeit

Wir stehen sowohl als Individuen als auch als Gesellschaft vor riesigen Aufgaben in einer immer komplexer werdenden Welt. Die Corona Pandemie hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, wie fragil das globalisierte System ist und, in Bezug auf den Umgang mit den Herausforderungen der Krise, wie wichtig relevante, wahre und transparente Informationen sind, auf deren Basis so weitreichende Entscheidungen wie das Durchsetzen eines Lockdowns getroffen werden. Und es bleiben Digitalisierung, Klimawandel, soziale Ungleichheit und viele weitere Entwicklungen, die sowohl massive Veränderungen in den nächsten Jahren nach sich ziehen werden.

Wir leben in einer neuen Welt, in der es zunehmend schwieriger für uns – für alle – wird, sicherzustellen, dass Informationen korrekt sind.“      Prof. Joseph Stiglitz in: Jaster, R, Lanius, D, 2019, S. 95: Die Wahrheit schafft sich ab – Wie Fake News Politik machen

Gerade in Zeiten von schamlosen Lügen, Fake-News und Shit-Storms und Aufmerksamkeitsjournalismus liegt es an uns selbst, Fähigkeiten wie kritisches Denken, Prüfung von Quellen das Hinterfragen der Wissenschaftlichkeit von Texten und Statistiken zu entwickeln. Wir sollten uns selbst an die Arbeit machen und lernen, Fakten zu checken und den gesunden Menschenverstand einsetzen. Doch gerade bei der Überprüfung uns fachfremder Fakten sind wir auf die Expertise von unabhängigen, engagierten Spezialisten aus unserem Netzwerk angewiesen, denen wir als Trusted Guides vertrauen können und die uns mit kuratierten Insights versorgen.

„Critical thinking must be practiced. It should be encouraged in the workplace by freely sharing what I call ‘half-baked ideas’.  In this way, professionals can engage in problem-solving activities at the edge of their expertise, where they should be in order to deal with complex issues.“  Harold Jarche, 2015, https://jarche.com/2015/12/thinking-critically/, abgerufen am 04.06.2020

Neue Ideen, Themen und Ansätze zusammenzutragen, sie zu kuratieren und öffentlich zu teilen und gemeinsam kritisch zu hinterfragen, ist ein sehr effektiver Ansatz, die Expertise und Kreativität der Kolleg*innen in der eigenen Organisation zu nützen und zu kanalisieren und gleichzeitig für die eigenen Themen zu sensibilisieren und auf sie aufmerksam zu machen.

 

3.   Wie kann ich selbst kuratieren?

Es gibt sehr viele unterschiedliche Möglichkeiten, selbst aktiv zu kuratieren und dabei Medienformate zu erstellen. Einen umfassenden und liebevoll zusammengestellten Überblick über verschiedene Formate bietet Robin Good in seinem kuratierten Artikel „Content Curation Approaches: Types and Formats“.

An dieser Stelle möchte ich drei eigene Praxisbeispiele vorstellen, die sich meiner Ansicht nach besonders gut für kuratierendes Lernen eignen.

 

Kuratierter Blogpost

Ein selbst verfasster Blogpost ist ein relativ einfach zu erstellendes Medium. Bloggen ist eine sehr effiziente Methode, um sich einem (neuen) Thema anzunähern, Informationen zu ordnen, zu beurteilen und sich dabei eine Meinung zu bilden. Blogger können mit einfachen Mitteln tiefgehende Recherchen und Analysen darstellen, die sich unterschiedlicher Quellen bedienen, diese verlinken und gegensätzliche Meinungen und Sichtweisen abbilden.

 

Praxisbeispiele:

Der nachfolgend verlinkte Blogpost wurde von mir verfasst, um mir Fachwissen zum Thema Blockchain in Vorbereitung auf das Barcamp anzueignen, der Zielgruppe die Möglichkeit zu geben, sich bereits im Vorfeld eine eigene Meinung zu bilden und ein tiefes Verständnis für das Thema Blockchain und deren Auswirkungen auf Learning und Development zu fördern, indem ich versucht habe, Zusammenhänge verständlich darzustellen und die Möglichkeit zum tieferen Eintauchen in Details und unterschiedliche Auffassungen gegeben habe.

Stefan Diepolder, Blogpost Themen des Corporate Learning Camps: Blockchain – Nutzen HR und Corporate Learning die Blockchain zukünftig für ihre Zwecke? Oder ersetzt die Blockchain HR?

https://colearn.de/themen-des-corporate-learning-camps-blockchain-nutzen-hr-und-corporate-learning-die-blockchain-zukuenftig-fuer-ihre-zwecke-oder-ersetzt-die/ (abgerufen am 01.06.2020)

Ein optisch und inhaltlich besonders wertvoller Blogpost von Maria Popova zu Kritischem Denken nach dem Klassiker „Baloney detection Kit“ von Carl Sagan: https://www.brainpickings.org/2014/01/03/baloney-detection-kit-carl-sagan/, abgerufen am 02.06.2020

 

Refind Portfolio

Refind ist mein Werkzeug, mit dem ich Artikel, Texte, Videos und Podcasts sammle. Sofern ich die Inhalte gelesen und relevant befunden habe, versehe ich sie mit Schlagworten und lege sie meine öffentlichen Sammlungen ab, um sie für meine Follower zugänglich zu machen und zu empfehlen.

Collection L&D News: https://refind.com/sdiepolder/l-d-news

Collection Tips, Tricks and digital Tools for Remote Work and Learning https://refind.com/sdiepolder/tips–tricks-and-digital-tools-for-remote-work-and-learning

Links zu Ressourcen, die ich als relevant einstufe, sie aber später noch einmal genau lesen, hören und evaluieren möchte, lege ich unter meiner Leseliste (Reading List) ab. Links, die ich für meine Interessen (z.B. privat) relevant finde und nicht öffentlich teilen möchte, ordne ich in private Collections ein.

Was Refind besonders macht, ist die Integration von algorithmischer Filterfunktion, die mir täglich eine bestimmte Anzahl von aggregierten Inhalten empfiehlt, mit der Möglichkeit, meine Interessen zu priorisieren und aktiv, ähnlich wie bei Twitter, Menschen und Organisationen, denen ich vertraue und die ich für mich als relevant erachte, zu folgen.

Wer sich tiefer mit dem Tool beschäftigen möchte: https://relevance.community/

 

Paid Content und Lernplattformen kuratieren

Es gibt bereits sehr viele hervorragende Inhalte und Lernpfade „dort draußen“ im Intranet und im Internet, die schnell, effektiv und gewinnbringend für die Kompetenzentwicklung und Performance Support eingesetzt werden könnten, wenn man sie nur kennen würde. Gerade größere Organisationen und Unternehmen stellen heute oft schon eine Vielzahl an Inhalten zur Verfügung, die sie ihren Mitarbeitern über kostenfreie und kostenpflichtige Portale, Seminar- und Weiterbildungskataloge präsentieren. Lernplattformhersteller reagieren seit einigen Jahren auf diesen Trend, indem sie eigene Content Portfolios erstellen oder die bekannter Hersteller in ihre Systeme einbinden und mit vertreiben.

Hier sind beispielhaft einige qualitativ hochwertige und beliebte Portale, in denen relevante und wertvolle Contents und gut gemachte Lernpfade zu finden sind:

https://www.udemy.com/ – Internationales Portal mit über 100.000 Online Kursen (Stand 06/2020), in dem Trainer ihre Kurse digitalisieren und an Privatpersonen und Unternehmen verkaufen können.

https://www.linkedin.com/learning/ – Internationale Plattform mit aktuell mehr als 16.000 kostenlosen und kostenpflichtigen Videokursen (Stand 06/2020).

https://masterplan.com/dashboard – Lernplattform mit aufwändig produzierten Videoformaten von renommierten Speakern, v.a. zu Digitalisierung.

https://coursera.org – Plattform mit kostenfreien, meist von Universtäten erstellten Online Kursen zu Themen aus Wirtschaft, Informatik, Datenverarbeitung und Sprachen, bei der Zertifikate kostenpflichtig sind.

Doch das Kernproblem bleibt bestehen, ähnlich wie im privaten bei der Auswahl von Filmen auf Streaming Plattformen wie Netflix oder Amazon Prime. Auch wenn die Portalhersteller und Content Provider versuchen, ihr Angebot mit Hilfe von Kuratoren und künstlicher Intelligenz inhaltlich zu ordnen und Struktur zu schaffen, fehlt es an wirklicher Kuratierung.  Interne Trusted Guides mit inhaltlicher Autorität sollten mit Unterstützung der Methodenspezialist*innen der Learning & Development Abteilungen und Inhalte empfehlen und Umgebungen und Lernpfade schaffen, die den Bedarfen der Zielgruppen entsprechen, sozialen Austausch ermöglichen und aus unterschiedlichen Situationen heraus aufrufbar sein.

 

4.   Was hat Content Curation mit Personalentwicklung zu tun?

 

Kuratierte Lernräume schaffen

Jeder Lernraum, analog oder digital, ist kuratiert von Seminarleiter*innen, Facilitator*innen und Initiator*innen und mit seinen Einzelkomponenten individuell so gestaltet und angeordnet, dass er Interaktion ermöglicht und Ausprobieren und Lernen anregt.

 

Praxisbeispiel:

Kuratierter Lernraum: The Shed von Adidas (vgl. https://www.creativehuddle.co.uk/adidas-group-learning-campus-lesson-us, abgerufen am 06.06.2020)

Kuratierte Contents sind dazu prädestiniert, digitale und analoge Lernräume mit wertvollen, gefilterten Inhalten anzureichern. Sie können z.B. in Flipped Classroom Szenarien im Vorfeld von Seminaren oder Webinaren als Portfolio zur multimedialen Präsentation von theoretischem Wissen und Fakten eingesetzt werden. Ein weiterer Anwendungsfall sind ePortfolios, mit denen Kollegen ihre Expertise zeigen und zu ihren Themen Linktipps, Videos und andere Ressourcen empfehlen und Leser*innen an ihren Gedanken und Lernerfahrungen teilhaben lassen. Sie schaffen so eine Art Landingpage für ihre Themen und können ihre Arbeit zeigen und inhaltliche Reputation aufbauen. Man könnte es auch laut arbeiten, “Working out loud” bezeichnen.

Working out loud is a way to ensure others know what you are doing and to be conscious of your own work. It is being mindful of your work and how it may influence others.“

Harold Jarche, Working and Learning Out Loud, 2014, http://jarche.com/2014/11/working-and-learning-out-loud/ abgerufen am 25.05.2020

 

Sensemaking als selbstorganisierter Lernprozess

Sensemaking ist das Herz der Kuratierung. Contents arrangieren, redigieren, neu anordnen, bewerten, in einen Kontext bringen und mit Wert anreichern. Es ist ein kreativer Prozess, der nicht von Algorithmen übernommen werden kann. Algorithmen können nur filtern und vorselektieren auf Basis der Daten, die erhoben und analysiert werden. Wir kennen dies von Playlisten und Empfehlungen großer, digitaler Portale, wie z.B. Spotify, Netflix und Amazon.

Genau an dieser Stelle entsteht echtes Lernen und Innovation.

Sensemaking geschieht in unterschiedlichen Tiefen. Ich möchte hier einmal 3 verschiedene Arten von Sensemaking kurz beschreiben:

  1. Begründete Empfehlungen von Inhalten und Experten

Wir geben unserem Publikum bzw. unseren Zielgruppen einen Grund bzw. einen Tipp, warum sie ihre wertvolle Zeit und Energie auf die von uns empfohlenen Inhalte verwenden sollen.  

 

Praxisbeispiel: Kommentierte Linkempfehlung auf Twitter

https://twitter.com/sdiepolder/status/1096449666504445952 (abgerufen am 03.06.2020)

 

Diese Art von Kuratierung bietet sich an, wenn die Zielgruppe auf Social Media anzutreffen ist und wir einen guten Artikel oder ein Video gründlich studiert haben, das wir empfehlen möchten. Dies funktioniert sowohl in internen sozialen Netzwerken (Enterprise Social Networks) als auch in externen wie in diesem Beispiel Twitter. Der Lernprozess findet in erster Linie bei uns selbst statt, indem wir das Mediums erst einmal genau durcharbeiten müssen, weil es uns erst dann möglich ist, die Inhalte so zu erfassen und zusammenzufassen, damit die Empfehlung für die Zielgruppe einen Nutzen stiftet.

 

  1. Erstellung eines eigenen Contents mit kuratierten Inhalten

Dieses Level geht tiefer, ist inhaltlich und zeitlich aufwändiger. Medial könnte der erstellte Content z.B. ein Blogpost, ein Artikel, eine Präsentation, ein Lernpfad, eine Sketchnote, eine Mindmap oder ein selbst aufgenommenes Video sein.

Immer wenn wir tiefer in ein Thema eintauchen möchten, eine Art Landing Page erstellen oder ausführlich über unser Thema diskutieren wollen, bieten sich die o.g. Formate hervorragend an, unseren Inhalten Nutzen hinzuzufügen. Und natürlich ePortfolios jeglicher Art. Qualitätsmerkmale bei diesen Formaten sind nicht nur die Ausgabemedien, sondern auch die penible Aufführung von weiterführenden Medien, idealerweise als Direktlinks, um selbständig tiefer in die Quellen eintauchen zu können. Diese Formate funktionieren sowohl organisationsintern als auch -extern.

 

Praxisbeispiele:

Mein 52-minütiger Content Curation Podcast mit den Kollegen Christoph Haffner und Thomas Jenewein vom SAP Educast – https://open.sap.com/static/education-newscast/?name=2020-02-07_educationnewscast073.mp3 (abgerufen 02.06.2020)

Eine Sketchnote zum Thema „Leading and Learning“ von Tanmay Vora: http://qaspire.com/2015/01/23/3-cs-for-learning-and-leading-on-social-media/ (abgerufen 02.06.2020) 

Ein toller, optisch und inhaltlich wertvoller Blogpost von Maria Popova zu Kritischem Denken nach dem Klassiker „Baloney detection Kit“ von Carl Sagan https://www.brainpickings.org/2014/01/03/baloney-detection-kit-carl-sagan/ (abgerufen 02.06.2020)

 

  1. Erstellung und Pflege eines Portals, eines Knotenpunktes für unser Thema

Bei wichtigen Themen, die auch eine größere Zielgruppe interessieren, bietet es sich an, dass wir tiefer recherchieren und ausführlicher publizieren. Voraussetzung ist, dass es sich um ein Thema handelt, in dem wir ausgewiesene Experten sind und inhaltlich wirklich etwas zu sagen haben. Wir machen damit unsere Expertise und Erkenntnisse öffentlich und fassen sie z.B. zu einem attraktiven, relevanten Portal zusammen. 

 

Praxisbeispiele:

https://jarche.com/

Der Blog von Harold Jarche mit über 3300 Posts zu Personal Knowledge Mastery, Sensemaking und Vernetzung.

https://medium.com/content-curation-official-guide

Der Content Curation Official Guide von Robin Good, der in über 20 penibel kuratierten Artikeln alle Hintergründe und Ideen zu Content Curation publiziert, erstellt im Blogportal https://medium.com/.

 

Kontinuierlich lernen

Jane Hart, eine der wichtigsten Verfechterinnen von Workplace Learning, beschreibt in einem Interview mit dem Haufe Verlag ein aus ihrer Sicht perfektes Lernszenario folgendermaßen:

Das wäre ein Szenario, bei dem jeder die Verantwortung für seine Weiterentwicklung übernimmt, um seine eigenen beruflichen Interessen zu verfolgen. Ein Szenario, bei dem Manager verstehen, dass Lernen kontinuierlich am Arbeitsplatz stattfindet und nicht nur ab und zu im Schulungsraum. Eines, bei dem Lernen als fortlaufender Prozess verstanden wird, der neue Ideen und Denkweisen hervorbringt.

https://www.haufe.de/personal/hr-management/interview-mit-jane-hart-ueber-modern-workplace-learning_80_479456.html, abgerufen am 05.06.2020

Die Zeiten, in denen Seminare von Vorgesetzten als Belohnungen genehmigt wurden, um ihren Mitarbeitern ein paar Tage Erholung außerhalb des Büros zu ermöglichen, sind endgültig vorbei. Arbeit verändert sich, Routinearbeiten werden automatisiert, auch komplizierte Arbeiten, die noch vor Jahren einen sicheren und gut bezahlten Job garantiert haben, werden mehr und mehr durch Computersysteme ersetzt. NewWork wird in einer immer komplexer werdenden Welt eine Notwendigkeit, dies hat uns nicht zuletzt auch die Coronakrise gelehrt. Um es mit Harold Jarche zu halten:

“Work is learning and learning is the work”

Harold Jarche, 2013, Learning is the Work, https://jarche.com/2013/10/learning-is-the-work-2/, abgerufen am 04.06.2020

Jane Hart plädiert dafür, dass jeder von uns Verantwortung übernehmen und das eigene Lernen selbst in die Hand nehmen sollte. Rechnet man die von ihr vorgeschlagenen 20 Minuten pro Tag auf das ganze Jahr (220 Arbeitstage) hoch, summiert sich dies zu einer erstaunlichen Lernzeit von über 9 Tagen jährlich (vgl. https://www.haufe.de/personal/hr-management/interview-mit-jane-hart-ueber-modern-workplace-learning_80_479456.html, abgerufen am 05.06.2020).

Wenn wir in unseren Organisationen beginnen, selbstbestimmt, offen und mit dem Mindset eines Kurators/einer Kuratorin kontinuierlich zu lernen, bringt das viele Vorteile. Die Kolleg*innen werden beginnen, sich mit Themen zu beschäftigen, die sie wirklich bewegen, die in die Zukunft gerichtet sind. Sie bilden sich aktiv eine Meinung und wenn sie ihre Einsichten und Learnings teilen, stärkten sie ihre Reputation und die gesamte Organisation profitiert von dem Diskurs. Und permanentes, fluides und selbstbestimmtes Lernen wird sich integraler Bestandteil der Unternehmens- und Lernkultur etablieren.

 

 

5.   Ausblick

Content Curation wurde vor ca. 8 – 10 Jahren v.a. von Marketing- und mit Abstrichen von Weiterbildungsspezialisten stark gepuscht und als kreative Lösung für Herausforderungen wie den Reputationsaufbau und die Bereitstellung von qualitativ hochwertigem und relevantem Content identifiziert. Mittlerweile scheint der Hype verflogen zu sein, was man z.B. auch an der Äußerung des Content Curation Spezialisten Paul Boicovitis, einem der Initiatoren der Linkedin Gruppe „Curation for Learning Professionals“ herauslesen kann:

„Is curation still relevant? It`s been several years since we began this group and it appears the initial hype about curation has subsided – agree or disagree?”

https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:6570083261610057728, abgerufen am 23.05.2020

Meiner Beobachtung nach fallen in der Szene der Personalentwickler*innen, Corporate Learning Professionals und -Dienstleister*innen im deutschsprachigen Raum die Begriffe „kuratieren“, „Personal Knowledge Mastery PKM“ und „Content Curation“ immer öfter und werden als für die Zukunft notwendigen Kernkompetenzen für diese Zielgruppen angesehen. Was mir aber ebenfalls auffällt ist, dass sich bislang nur wenige Professionals aktiv mit den Theorien, Praktiken und den Mechanismen von Kuratierung auseinandergesetzt haben und deren Wert für das eigene, persönliche Lernen und die Organisation und deren Innovationsfähigkeit erfahren haben. Kuratierung wird in den meisten Organisationen immer noch auf das Filtern, Aggregieren und Bereitstellen von relevanten Informationsbausteinen und -artefakten verkürzt, als eine Arbeit von wenigen Spezialist*innen, deren Aufgabe es ist, digitale und analoge Lernräume zu gestalten und bereitzustellen. Es geht in den meisten Fällen v.a. um Seeking und Sharing. Das Sensemaking, der Teil des Frameworks von Harold Jarche, bei dem die eigentlich wertvollen Erkenntnisse gewonnen werden, und wo lernen so richtig beginnt, bleibt in den meisten Fällen unangetastet.

Kuratierung besitzt das Potential, schnelle, wirksame und nachhaltige Effekte zu erzielen. Das notwendige Wissen, um gut informierte Entscheidungen zu treffen, die tägliche Arbeit gut und effektiv zu erledigen, ist längst schon vorhanden – entweder bei Kolleg*innen, im Netzwerk oder in den Weiten des Internets. Wir müssen es nur finden, verarbeiten und wertschöpfend für uns einsetzen. Social Media, auf Kuratierung spezialisierte Plattformen (Degreed) und neuartige, vernetzte Arbeitsumgebungen (Microsoft365) machen es uns leicht, innovativ, laut und offen in Communities zu arbeiten und zu lernen und uns so eine einzigartige fachliche und persönliche Reputation aufzubauen – und mit unseren Kompetenzen, Einsichten und Stärken sichtbar zu werden.

Quellen:

Jaster, R, Lanius, D, 2019, S. 95: Die Wahrheit schafft sich ab – Wie Fake News Politik machen

Li, C., Xiong, G., & Tapia, E. M. (2018). New frontiers in cognitive content curation and moderation. APSIPA Transactions on Signal and Information Processing, Vol. 7.
DOI: 10.1017/ATSIP.2018.9.

Robin Good, 2016, Artikel “The rise of Trusted Guides”: https://medium.com/content-curation-official-guide/10-the-rise-of-trusted-guides-14a792f08ee7, abgerufen am 02.06.2020

Good, R.,2013, Interview: http://tribaling.com/blog/2013/07/04/meet-robin-good-a-tribal-curator-and-former-dj/,  abgerufen am 03.06.2020

Magnussen, C., Trautmann, M.: Podcast “On the way to New Work” Episode Nummer 100 mit Frithjof Bergmann, Godfather of “New Work”  – https://soundcloud.com/onthewaytonewwork/100-mit-frithjof-bergmann-godfather-of-new-work abgerufen am 01.06.2020 

Shirky, Clay, 2008, Video: Web 2.0 Expo NY: Clay Shirky (shirky.com) It’s Not Information Overload. It’s Filter Failure: https://youtu.be/LabqeJEOQyI, abgerufen am 25.05.2020

Hart, J., 2018, Interview: https://www.haufe.de/personal/hr-management/interview-mit-jane-hart-ueber-modern-workplace-learning_80_479456.html, abgerufen am 05.06.2020

Jarche, H., 2013, Artikel: Learning is the work: https://jarche.com/2013/10/learning-is-the-work-2/, abgerufen am 04.06.2020

Jarche, H, 2017, Artikel: The Word needs Knowledge Catalysts:, https://jarche.com/https://jarche.com/2017/05/the-world-needs-knowledge-catalysts/

Mozilla Foundation, Schaubild Web Literacy: https://foundation.mozilla.org/en/initiatives/web-literacy/, abgerufen am 02.06.2020

Linkedin Forum „Curation for Learning Professionals“ https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:6570083261610057728, abgerufen am 23.05.2020

 

Über den Impulsgeber

Stefan Diepolder

Seit meinem Studium beschäftige ich mich damit, wie lernen angeregt und (digitale) Lernräume gestaltet sein sollten, um effizient, selbstbestimmt und wirksam Kompetenzen und Fähigkeiten entwickeln zu können. Mein besonderes Interesse gilt dem Zusammenspiel von (analogen) sozialen Lernprozessen und -methoden und digitalen Werkzeugen und relevanten Inhalten, die man in den allermeisten Fällen schon im Internet vorfindet.

 

Meine Leidenschaft ist es, Menschen dabei zu unterstützen, die Autonomie für ihr Lernen zurückzugeben, Informationskompetenz zu entwickeln und gut informierte Entscheidungen treffen zu können. Den vermeintlichen Überfluss an Informationen im Internet für sich zu nützen und die relevanten Perlen für sich zu finden und anderen weiterzugeben. Wie ich dazu gekommen bin, erzähle ich u.a. im Podcast.

Weitere Links:

https://open.sap.com/static/education-newscast/?name=2020-02-07_educationnewscast073.mp3 – ein Podcast darüber, wie ich zu Content Curation gekommen bin

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